Ich mein, es ist ja nicht so, dass ich in der Hinsicht empfindlich bin. Wirklich nicht. Schließlich bin ich seit zehn Jahren in einem Sportclub mit fast ausschließlich Jungs als Kumpels. Da ist man einiges gewöhnt. Aber das hier ist jenseits des guten Geschmacks. Man kann hier kaum einen Schritt tun, ohne in Rotz zu treten. Ich rede nicht von armseligen kleinen Tropfen. Die scheinen hier den ganzen Tag zu "sammeln", damit sie beim Ausspucken gleich nen halben Liter Flüssigkeit verlieren. Jeder deutsche Fußballer ist lächerlich dagegen. Und was in Deutschland doch irgendwie mit Kopfschütteln registriert und widerwillig geduldet wird, ist hier Mode. Ich habe hier Männer mit feinem Anzug und toller Kravatte auf den Gehweg rotzen sehen, da würde der Domi neidsch werden.
Naja, andere Länder...
Eigentlich dachte ich wirklich, das Busfahrerthema ist durch. Es sei alles gesagt. Aber die Busfahrer hier müssen immer noch einen drauf setzen. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie man hier in Korea an einen Führerschein kommt, aber eine Straßenverkehrsordnung gibts hier nicht. Die haben hier ihre eigenen Regeln. Eine davon: Wer einen Bus fährt hat Recht. Und: Wer bremst, verliert.
Unser letzter Ausflug zum Emart war mal wieder sehr abenteuerlich. Unser Busfahrer raste zielstrebig an den beiden Linksabbiegerspuren vorbei und ich sah uns schon an einem komplett anderen Ort rauskommen. Oder auch sterben, denn die Ampel war meiner Meinung nach dunkelrot. Muss er dann wohl auch gesehen haben, denn der Busfahrer hat sich kurzerhand quer vor die beiden Schlangen von Autos gestellt, die sich brav in der Linksabbiegerspur eingeordnet hatten.
Wir stehen also mit dem Bus mitten auf dieser Kreuzung (und die Kreuzungen hier sind ein anderes Kaliber als der Mittweidaer Markt). Die Autos quer hinter uns demonstrieren mit aufheulendem Motor, dass sie nicht gewillt sind, ihre Poleposition abzugeben. Das interessiert unseren Busfahrer herzlich wenig und als die Ampel auf gelb springt, rasen wir los. Seit ich hier Bus fahre, weiß ich, dass Trägheit eine verdammte Tatsache ist. Physik am lebenden Objekt, quasi.
Irgendwie kommen wir dann doch immer heil an, was nahezu an ein Wunder grenzt. Mittlerweile bin ich sogar so abgestumpft, dass ich beim Busfahren einschlafe. Die Haltestelle verpasst man hier nicht. Die Hupe ist neben dem Gaspedal das meistgenutzte Instrument in einem koreanischen Bus.
Hupen vor Überwegen bedeutet hier "Fußgänger, bleibt stehen, wenn euch euer Leben lieb ist".
Hupen auf dem Expressway heißt "Mach dich vom Acker, du lahme Ente".
Hupen vor Kreuzungen meint "Ich Bus. Du nichts. Also halt gefälligst an."
Ach hier erlebt man schon was. Also langweilig wirds hier sicher nicht. Dafür sorgen auch unsere lustigen nichtasiatischen Freunde. Am Freitagabend war eigentlich Pubtour angesagt, aber irgendwie sind wir dann alle in einem der Apartments versackt und haben Musik gehört, gegessen und gequatscht. Ich finde es wirklich faszinierend, dass die Tatsache, dass ich deutsch bin, auf Ausländer eine Art magische Wirkung hat. Früher oder später - in den meisten Fällen früher - kommen die immer auf das Thema Nazi. Egal ob man übers Essen, das Wetter, Musik, Bücher oder Basketball redet, man kommt immer wieder zurück zu Hitler. Wobei ich der Ansicht bin, dass dieses Thema für die anderen wesentlich spannender ist, als für mich. Wir wurden so oft damit konfrontiert, haben im Geschichtsunterricht jeden Atemzug von Hitler nachvollzogen, haben in Ethik über moralische Aspekte diskutiert und in Deutsch in jedem Gedicht den faschistischen Hintergrund gesucht, dass ich einfach fertig bin damit. Nicht dass es mich nicht interessiert. Im Gegenteil. Ich finde es wichtig, darüber zu reden, zu verstehen. Aber nicht mit Amerikanern, Kanadiern oder Briten, deren ganzes Wissen über die Nazizeit sich darauf beschränkt, dass sie wissen, dass Deutschland den Krieg verloren hat. Was wollen die denn von mir hören? Einen dreistündigen Vortrag über meine Position zum Nationalsozialismus? Sicher nicht. Das Thema ist sehr interessant und ich diskutier auch gern darüber. Aber bitte nur mit jemandem, der weiß, wer Goebbels oder Himmler war und dem ich nicht erst erklären muss, was die Nazis eigentlich wollten. Ich meine, ich nagel den Amis doch auch nicht im fünf-Minuten-Takt ein Gespräch über den amerikanischen Bürgerkrieg, die Bostoner Teaparty oder den Watergateskandal ans Knie! Also echt...
Aber die Leute sind trotzdem ziemlich cool drauf. Einer von denen redet ohne Ende. Noch Schlimmer als ich. Viel schlimmer. Ich stell mir grad vor, wie der Papa die Augenbrauen hoch zieht und sich fragt, ob jemand mehr reden kann als ich. Papa, es geht. Stell dir meine liebe Frau Fröhlich vor und multipliziere die Sprechgeschwindigkeit mal 4. Ich hatte wirklich Angst, dass der Typ in Ohnmacht fällt. Da sitzte vor dem Kerl und würdest am liebsten für ihn Luft holen, bevor er platzt. Total anstrengend.
Einer von den Kanadiern ist letzte Woche 40 geworden. Der ist seit drei Monaten in Korea und verarbeitet hier seine Midlife crisis. Mehr oder weniger gut. Am Freitag hat er mit seiner Minigeige diverse Lieder mitgeschmettert. Da hauts de Miez vorn Boom. Übelste Kunden sind das hier...
Ich habe gestern das teuerste Deospray meines Lebens gekauft. Und nein, es war nicht von Armani. Sondern von Nivea. Ich habe dafür 8 € bezahlt! ACHT EURO! (Nochmal als Zahlwort, für den Fall jemand denkt, ich hab mich verschrieben).
Aber in der Verzweiflung ist man ja zu viel bereit. Ich suche seit einer Woche in jedem Laden nach Deospray. Ohne Erfolg. Von Cremes, Pasten, Lipgloss, Rouge und Lidschatten bis hin zu Parfüms gibts hier alles - nur kein Deo.
Ben liefert mir dann die Erklärung: Es ist keine Saison. Aha. Also dass ein Deospray eine Saison hat, war mir bisher auch noch nicht klar. Ich meine, wir reden hier nicht von Spargel. In Korea gibt es Deo nur im Sommer, zur Regenzeit. Schwitzen die im Winter nicht? Naja, die frieren ja auch nicht. Vielleicht sind sie wechselwarm, wer weiß das schon?
Nach einer Woche vergeblichen Suchens und erhöhtem Wäscheverbrauchs aufgrund Schwitzen (Hab ich schon den Berg erwähnt???) war ich also zermürbt. Bereit alles zu zahlen für dieses Spray. Auch wenn ich in Deutschland für das gleiche Geld acht Sprays bekommen hätte.
Eine ähnliche Verzweiflung packt Ben, wenn er an Mischbrot und Leberwurst denkt.Da wird mir auch ganz anders. Oder Kaffee. *träum* Ich meine richtigen Kaffee. Nicht solchen, wo man den Löffel unten in der Tasse sieht. Allgemein sind die Getränke hier eher "dünn". Also die Kanuten hätten hier keine Freude, es sei denn sie reisen mit diversen Fässern aus der Heimat an. Paul, ein Bierfan aus Kanada, hat das so ausgedrückt:
Koreanisches Bier ist dünner als amerikanisches. Amerikanisches Bier ist dünner als kanadisches. Kanadisches Bier ist dünner als deutsches. Und deutsches Bier ist das Beste.
Sehr treffend, finde ich. Dafür gibts hier Schnaps. Jede Menge Schnaps. Ich bin davon ni so begeistert, aber der Ben war ja schon von Professor Exners Kostprobe sehr angetan und trinkt das Zeug wie Limo, wenn ers in die Finger kriegt *hicks*
Nach Dunkin Donuts und Iced Cafe Mocha aus dem Kaffeeladen um die Ecke haben Ben und ich eine neue Obsession: Sushi.
Die Sojasoße in winzigen Folientütchen wird meist schon vom ersten Sushiröllchen aufgezutscht und deshalb haben wir uns jetzt eine Flasche Sojasoße gekauft. Eine 1-Liter-Flasche. Wir wollten's nicht gleich übertreiben und haben die kleine genommen. Der Drei-Liter-Kanister erschien uns doch etwas viel *witz* Jetzt können wir unser Sushi in der Sojasoße ertränken...
6 Kommentare:
Hallo Tina, wir lesen auch mit großem Interesse deine Berichte. Michi ist ganz stolz, dass du beim Anblick der Fischtheke an ihn gedacht hast:)
Viele Grüße auch vom "kleinen Gehirn" ans Schwesterherz... lol
Marika und Michi
Das freut mich ja sehr! Und ich freu mich schon auf einen lustigen Abend beim Italiener mit euch, von Pizza haben die hier nämlich wirklich keine Ahnung ;) Ich drück dem kleinen großen Gehirn ganz sehr die Daumen für alle Prüfungen! Peter, du machst sie alle fertig! Tschakaaaa!
Ich schick dir sämtliche intelligente Gedanken von mir - brauch ich hier eh nicht *grins*
Ich freu mich auf euch, lassts euch gut gehen!
Hola Tina, muss an dieser Stelle einfach mal sagen, dass Dein Blog ne 1 ist. Macht großen Spaß die Einträge zu lesen! Bin übrigens froh, dass Du auch mal ein paar positive Dinge über Korea geschrieben hast, denn eigentlich hatte ich es von meiner "Was-ich-im-Leben-noch-mal-machen-sollte-Liste" gestrichen. Ist jetzt wieder unter den ersten 1.000 :-) Beste Grüße aus D Martesao
Ähm. Ja. Peter, du bist elfte Klasse, nor? Dann vergiss das alles, ich erzähl dirs nächstes Jahr nochmal *grins* Jaja, ich sags ja. Korea macht dämlich. Sorry....
Mich freut ja, dass sich auch noch andere auf meinen Blog verirren! Korea muss man unbedingt erleben, danach weiß man wenigstens deutsche Spießigkeit wieder zu schätzen ;)
hallo meine tini!Also ich muss schon sagen, das klingt sehr erschreckend!!Wenn ich mir das jetz mal real vorstelle: Frau Fröhlich, no? wir rden hier von der selben oder? Und das dann mal 4...das is überhaupt ne möglich...DAS GEHT NICHT!!! na, aber ich werd dirs mal glauben..^^
ach wegen dem deospray, ich hab schon drüber nachgedacht dir so ne art "überlebenspacket" zu schicken...dort herrschen ja verhältnisse wie im mittelalter..^^
und ich werd auch richtiges deutsches bier reintun...vlt. kannst du dich ja damit anfreunden?!?! Das muss ich dann aber holen lassen...^^
Hab dich lieb! Grüß schön! deine kleene Mahie( püppie^^)
Frau Fröhlich mal vier - ich schwörs! Das Schlimme ist nur, dass der nicht halb so liebenswert und lustig ist, wie unsere Frau Fröhlich. Leider.
Überlebenspaket klingt toll *grins* Wenn ich wiederkomme, machen wir erstmal nen Freßgelage ^^
Hab dich lieb!
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